Ein vortrefflicher Blogeintrag, welcher die Überlegenheit der westlichen Zivilistation kritisch hinterfragt. Die Frage ist nämlich, wer den Maßstab setzt.
Chris
...your daily dose of good news
Inflation fällt nicht vom Himmel, sondern hat immer ihre Ursache in der Geldpolitik der Notenbanken.
Dieser Sachverhalt ist nicht neu. Bereits der irische Ökonom Richard Cantillon (1680-1734) untersuchte die Folgen einer Veränderung der Geldmenge für die Marktteilnehmer. In seinem postum veröffentlichten Werk „Abhandlung über die Natur des Handels im allgemeinen“
Menschen werden zu nicht selbstbestimmter Arbeit gezwungen – für einen Lohn, der gerade so reicht, um die Arbeitskraft arbeitgeberfreundlich zu regenerieren. Das geschieht tausendfach in Deutschland, vor allem unter der Knute von Hartz IV-Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Nur “Sklaverei” wagte man dergleichen bisher nicht zu nennen. Vielleicht aus falscher Rücksichtnahme auf die Gemüter der verwöhnten Nachkriegsdeutschen. In Georg Rammers Satire ist es mit dieser Tarnung jetzt vorbei. Ein Arbeitsvermittler sagt, was Sache ist: “Sklavenmarkt” lautete seine Geschäftsidee.
• Guten Morgen! Darf ich Sie mal kurz sprechen?
• Geht jetzt nicht! Siehst doch, dass ich beschäftigt bin. Stell dich einfach hinten in die Schlange. Vielleicht hast heute auch noch Aussicht auf einen Job.
• Ich hab schon einen Job. Ich bin von der Gewerbeaufsicht.
• Sagen Sies doch gleich! Dachte, Sie wollen sich auch für einen Job anbieten wie alle hier. Also womit kann ich Ihnen helfen? Meine Papiere sind in Ordnung und die Standfläche hab ich ordnungsgemäß angemeldet.
• Aber das Schild hier…
• Was ist damit? Gibts was auszusetzen dran?
• Da steht … „Sklavenmarkt“.
• Oho, da liegt der Hund begraben! Also raus mit der Sprache. Wo ist das Problem?
• Also Sklavenmarkt, das geht nicht.
• Wieso? Verstehen Sie keinen Spaß? Das ist zielgerichtetes, offensives Marketing. Und es steht doch extra in Anführungszeichen. Da weiß doch jeder gleich, was gemeint ist. Seien Sie doch nicht so bürokratisch.
• Aber das ist geschmacklos.
• Werter Herr Kollege, über Geschmack lässt sich streiten. Also ich finde „Jobcenter“ auch nicht geschmackvoll. Und „Agentur für Arbeit“ raubt mir auch nicht grad den Atem. Da ist doch mein augenzwinkernder „Sklavenmarkt“ doch treffender, oder? Und ehrlicher.
• Aber das verstößt gegen die Menschenwürde.
• Ach jetzt kommen Sie damit! Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Menschenwürde! Verstößt etwa „Fördern und Fordern“ nicht gegen Menschenwürde – und guten Geschmack sowieso? Schauen Sie sich doch mal in der Realität um: Da können Sie die Menschenrechte alle im Clo runterspülen! Sie stören sich am Wort? O.k., ich kann es auch anders nennen. Wie wärs mit „Fit for Fun“? Oder „Job macht frei“? Also nehmen Sies mir nicht übel, aber diese Meckerei und Miesmacherei ist doch typisch deutsch. Hauptsache, die Form stimmt. Das ist wie mit der Demokratie.
• Jetzt werfen Sie aber alles durcheinander. Was hat der Arbeitsmarkt mit Demokratie zu tun? Sklaverei ist einfach verboten.
• Ja, sag ich doch! Typisch deutsch. Wenn sie nicht weiterwissen, greifen sie halt einfach nach dem Verbot. Wissen Sie was? Unter den jungen Leuten hat nur noch jeder Vierte einen regulären Job, Vollzeit mit Vertrag. Alle andere: Leiharbeit, Minijob, Werkvertrag, Praktikum. Dort haben Sie Ihren Sklavenmarkt!
• Ich weiß schon. Das ist der neue Boom. Wir kommen deshalb mit den ganzen Personal Service Agenturen kaum hinterher. Zwei von drei neuen Jobs sind Leiharbeit. Die Leute kriegen die Hälfte von Festangestellten, meist unter dem Existenzminimum und schlafen am Arbeitsplatz. Aber Sie machen es hier ganz offen, ich weiß nicht, ob man das so deutlich sagen sollte.
• Doch, genau. Ich helfe den Menschen. Die knapp 200, die hier stehen, die sind alle freiwillig gekommen. Oder denken Sie, ich hab sie gezwungen? Die kommen, weil sie arbeiten wollen. Sie sind fleißig und billig. Die wollen sich verkaufen, also ihre Arbeitskraft. Oder glauben Sies etwa nicht? Wollen wir doch mal schauen und den Beweis antreten. – Hey, Leute, alle mal herhören! Wir machen jetzt eine demokratische Abstimmung: Wer von euch ist freiwillig gekommen, um hier eine Arbeit zu kriegen, he? … Da sehen Sie! Alle haben gestreckt, oder etwa nicht. Das ist halt direkte Demokratie.
• Also ich weiß nicht. Diese Menschen hier verkaufen sich ja mit Haut und Haar an jemand ohne alle Rechte…
• Ja, weil sie es so wollen! Und wieso eigentlich ohne alle Rechte? Wissen Sie was? Sie sollten mal das Grundgesetz studieren. Da steht: Eigentum verpflichtet. Und die Zweihundert, die hier Schlange stehen, die sind kräftig und einsatzbereit, sie sind fest entschlossen zu arbeiten. Egal was. Das ist ihr Kapital, ihr Eigentum. So. Und im Grundgesetz, da lesen wir weiter: Der Gebrauch von dem Eigentum soll auch der Allgemeinheit dienen. Genau das passiert hier, wir lassen dieses Humankapital nicht verkommen, sondern stellen es der Allgemeinheit zur Verfügung. Warten Sie noch ein wenig, bis halb neun, wenn dann der Markt beginnt und die Käufer und die Käuferinnen kommen: Da ist was los, sag ich! Da suchen sich Mittelständische ein paar Helfer, Firmen holen sie gleich im Paket und Hausfrauen wollen eine nette Putzhilfe. Der Mensch ist halt unser Kerngeschäft. Wir haben dank Schröder und Rot-Grün den besten Niedriglohnsektor!
• A propos: Kriegen die Leute hier eine ehrliche Bezahlung?
• Herr Gewerbeaufsichtsbeamter, jetzt kommen Sie mir bitte nicht komisch. Ist das etwa meine Sache? Wollen Sie die Vertragsfreiheit aushöhlen? Ich bin Unternehmer. Subunternehmer genauer gesagt, Subunternehmer von einem großen Leiharbeitskonzern. Ich arbeite auf eigene Rechnung, da fragt auch niemand. Ich nehme meine Provision, wo und wie ich sie kriege. Alles andere ist Sache der Käufer. Die Schlange hier, das sind die Anbieter. Und die, die sie kaufen, machen mit ihnen einen Preis aus. Fertig. Was ist falsch dran?
• Da sind auch Frauen dabei.
• Na und? Wir gehen mit der Zeit: Wir achten eben auf Gender. So heißt es doch, nicht? Und wir helfen den Alleinerziehenden. Sagen Sie mal, lesen Sie eigentlich nicht die Berichte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung? Die sagen, die Mütter mit Kindern und ohne Mann, die wollen um jeden Preis was schaffen! Egal was, egal wie belastend, egal was sie dabei verdienen. Hauptsache Arbeit! Und da kommen Sie und wollen es ihnen wegnehmen?
• Können Sie gewährleisten, dass die Menschen hier nicht ausgebeutet werden?
• Jetzt werden Sie schon wieder päpstlicher als der Papst. Können Sie das bei Amazon oder Schlecker oder BMW? Hey, jedes erfolgreiche Unternehmen muss mit Billiglohn arbeiten, muss aus den Leuten rausholen, was geht. Tarifvertrag? Betriebsrat? Das wissen Sie doch besser als ich: Das war mal, das ist graue Vorzeit. Längst überholt! O.k., die Leute werden krank, halten sich mit Zweit- und Drittjobs über Wasser, ihre Lebenserwartung sinkt auf Vorkriegsniveau. Na und? Schon mal was von Kapitalismus gehört? Oder von Agenda 2010? Kennen Sie noch den alten Schröder Gerhard? Der hatte mal verkündet und er wusste, was er wollte: Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen. Genau das mach ich. Ich habe das beharzigt, ha ha ha! Mann, ich bin staatstragend!
• Ich sehe da sogar Kinder. Die sind sicher nicht älter als 12, 13.
• Ja, die kommen alle, um ein bisschen was zu verdienen. Mit Einwilligung ihrer Eltern. Die wollen halt auch ein bisschen was vom Leben. Wissen Sie was? Die Kids sind unsere Zukunft, unser Humankapital. Soll ich Ihnen was verraten? Die Experten von der Werbebranche sagen: Wir müssen die Kids verstehen, ihre emotionalen Bedürfnisse, ihre Fantasien, ihre Träume. Dieses Wissen ist dann die mächtigste Waffe im Arsenal des Vermarkters, der das Herz der Kinder gewinnen und vermarkten will. Das ist auch meine Devise. Ich hab halt ein Herz für Kinder.
• Haben die vielen Ausländer hier eigentlich eine Arbeitserlaubnis?
• Haben Sie was gegen Ausländer? Kommen Sie mir doch nicht so. Ich weiß es nicht! Ist auch nicht meine Sache. Ich bin Vermittler. Fair-Mittler, wie ich gern sage, ha ha! Ich will niemand diskriminieren, keine Schwule, keine Migranten. Ich bin eben ein Menschenfreund. Wussten Sie, dass die Hälfte aller Migrantenkinder arm ist? Die Hälfte! Ich geb ihnen jedenfalls eine Chance und dafür sind sie mir dankbar. Also bitte: Keine Bevormundung!
• Also ich weiß nicht. Ich muss mich mal bei meinen Vorgesetzten absichern, ob das alles so richtig ist.
• Ja, machen Sie das ruhig. Sie werden ja sehen. Heutzutage achtet niemand mehr auf jeden Mückenschiss. Das ist halt die Grundlage für unser Jobwunder! Woher soll es sonst kommen?
• Aber bestimmte Regeln müssen halt einfach beachtet werden, nicht wahr.
• Tu ich ja, tu ich ja. Ich hab das Recht ganz auf meiner Seite, da können Sie ruhig einen drauf lassen! Ich verfolge durchaus die Entwicklung, ich bin im Bilde. Bin sozusagen eins mit dem Weltgeist. Soll ich Ihnen was erzählen? Der Europäische Gerichtshof, ja, der EGH selbst bewertet die Freiheit des Handels und Warenverkehrs eindeutig höher als unsere kleinlichen nationalen Grundrechte. Oder als die Menschenrechte. Marktfreiheit über alles! Ha!
• Ja gut, das seh ich schon auch so, wie Sie es sagen. Ich tu halt auch nur meine Pflicht. Nichts für Ungut. Aber seien Sie vorsichtig, sonst haben wir hier demnächst mal einen Sklavenaufstand.
• Ha, das sollen die mal versuchen! Also das freut mich, dass wir uns einig sind. Kommen Sie ruhig mal wieder vorbei. Aber jetzt muss ich wirklich Schluss machen. Gleich kommt RTL, die wollen eine Sendung machen über vorbildliche und erfolgreiche Initiativen für Arbeitslose. Mann, die Leiharbeit verzeichnet Rekordwachstum! Das ist ein Jobwunder! Und jedem, der es wagt, uns zu kritisieren, kann ich jetzt schon in aller Deutlichkeit sagen: Wir haben das Recht und wir haben die Macht und auch die Staatsgewalt auf unserer Seite! (Hinter den Schlagzeilen)
Übertriebene Solidarität generiert Mitnahmeeffekte und reduziert die volkswirtschaftlich und gesellschaftlich so dringende Wettbewerbsdynamik.
Solidarität zwischen Reich und Arm ist durchaus geboten, aber nicht als Haftungsgemeinschaft mit Erdrosselungscharakter. Stellen Sie sich bitte vor, wie begeistert Sie wären, wenn Ihnen von jedem zusätzlich verdienten Euro nicht einmal 25 Cent fürs eigene Portemonnaie übrig blieben.