In einem Gastbeitrag der wirtschaftlichen Freiheit agitiert Bernd Raffelhüschen gegen eine Verbesserung in der Pflegefinanzierung. Man muss es leider so nennen. Er ist sich zwar bewusst, dass die Kosten steigen werden, aber steigende Löhne im Pflegesektor obwohl Personal fehlt und ein sinkender Eigenanteil geht gar nicht.
Und was macht Gesundheitsminister Spahn? Er lindert den
Pflegenotstand und verspricht eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte,
eine fast vollständige Abschaffung des Eigenanteils und eine nochmalige
Ausweitung der Leistungen. Ungeheuerlich!
Die Frage ist doch warum, das nicht gehen sollte. Sein Argument ist das Folgende.
Da können wir uns die
Leistungen von heute nicht leisten, und dennoch ist die Devise: mehr
staatliche Leistungen bei reduziertem Selbstbehalt – und das nennen wir
dann „Reform“! Die Gewinner des GVWG stehen fest – es sind jene Alten,
die ihren Eigenanteil hätten leisten können, ihn jetzt aber nicht mehr
leisten müssen. Arm sind die Nutznießer also nicht, im Gegenteil, Spahn
bereichert die Reichen und dehnt das seit Blüm bestehende
Erbschaftsbewahrungsprogramm weiter aus.
Und genau hier fängt die Agitation an. Raffelhüschen will, dass alle belastet werden die es sich leisten können. Das kann man gerne wollen. Er meint aber, es sei ein "Erbschaftsbewahrungsprogramm", wenn man die Belastungen mildert. Das ist schräg, denn mir ist ein Bernd Raffelhüschen nicht durch die Forderung einer hohen Erbschaftssteuer aufgefallen. Stattdessen so ein Unsinn. Die Erbschaften sind zu hoch, daher müssen der Selbstanteil der Pflegekosten steigen? Schon klar. Auch verkennt er das bürokratische Problem. Eine Bewertung des Eigenanteils ist teuer. Das sieht man an sehr vielen Stellen. Diese Kosten kann man sich einfach sparen, indem man eine Bewertung aussetzt. Jeder zahlt ein und bekommt etwas, wenn er oder sie es braucht. So simple.
Seine Ursachenanalyse ist warum Spahn das jetzt macht ist wiederum merkwürdig
Aus politischer Sicht
verständlich, denn ab dem Bundestagswahlkampf 2021 liegt die
Wählermehrheit bei der Altersgruppe der über 55-jährigen. Wer verliert
ist auch klar, es sind jene, die als langjährige Beitrags- und
Steuerzahler für die Geschenke an die Alten geradestehen müssen.
Nach dieser Logik müssten die gesetzlichen Renten massiv steigen. Tun sie aber nicht. Spahn hat vielleicht in reales Problem identifiziert. Diese Möglichkeit sieht Raffelhüschen nicht. Warum, dazu komme ich noch. Darum also der Kostenaspekt und genau der ist richtig verdreht.
Wie geht es weiter? Werden die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge
den Generationenvertrag einhalten oder werden sie ihn wegen fehlender
Unterschrift anfechten? Letzteres, denn die Akzeptanz der
Pflegeversicherung ist unmittelbar mit der demographischen Entwicklung
verknüpft. Was, wenn die Kinder der Pflegefälle des Jahres 2040 fragen,
warum sie sechs, sieben oder acht Prozent ihres Lohnes in die
Pflegeversicherung einzahlen müssen?
Als Professor versteht er nicht, dass viele Menschen die Pflege zu Hause selbst leisten. D.h. 7 - 8% sind ein Witz. Unter der Annahme man hat einen Zweiverdienerhaushalt und eine Person bleibt zu Hause um zu Pflegen, dann reden wir von schlappen 50% Haushaltseinkommen die wegfallen. Aufgrund eines Mangels an Pflegepersonal, können also Menschen nicht arbeiten, obwohl der demographische Wandel zu einer Reduktion des Arbeitnehmerpotentials führt.
Raffelhüschen sieht den Gesamtzusammenhang nicht. Die armen Jungen müssen für die Alten aufkommen. Das passiert jetzt schon. Aktuell zahlen eben nicht nur die Alten, sondern eben auch ihre Kinder. Das schlimme daran ist, dass die Kinder der Alten diese finanzielle Belastung genau dann haben, wenn sie Kinder zu Hause haben. Eine Entlastung die Spahn realisieren will, akzeptiert Raffelhüschen nicht. Der Grund ist einfach. Er versteht das Prinzip der Umlage nicht. Er kann und will nicht verstehen, dass auch ein Kapitalgedecktes System ein Umlageverfahren auf anderer rechtlicher Basis darstellt. Daher fordert er folgenden Unsinn.
Damit ist eines
klar: Der Verursacher ist verantwortlich und wir müssen die Leistungen
der Pflegeversicherung so weit reduzieren, dass sie bei konstanten
Zahlungslasten für zukünftige Generationen wieder gerecht wird.
Es ist also gerecht, wenn Menschen in ihren eigenen Exkrementen sitzen, weil der Pflegeschüssel nicht finanzierbar ist. Er fordert weiterhin die Ausbeutung der Pflegekräfte, weil das für die zukünftige Generation gerecht ist ausgebeutet zu werden (niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen). Klingt ziemlich radikal, wenn man die Schlussfolgerung zusammenschreibt. Aber wie soll es anders gehen. Die Zahl der zu Pflegenden steigt und Bernd Raffelhüschen will den System nicht mehr Geld geben. Die Schlussfolgerung ist eindeutig, oder?
Hier kommen wir zu seinem eigentlichen Denken. Raffelhüschen agitiert seit Jahren pseudowissenschaftlich gegen die staatliche Rente und jetzt gegen die Pflege. Ziel ist es diese Systeme als teuer und ineffizient darzustellen. Bei der Rente ist es ihm und vielen gleichgesinnten gelungen, die Rente politisch gewollt zu senken, um dann zu argumentieren, man bräuchte eine kapitalgedeckte Vorsorge, weil ja die Rente sinkt. Das ist das typische Vorgehen der neoliberalen Lobbyisten. Erst sorgt man dafür, dass Strukturen kaputt gemacht werden. Sind sie kaputt, dann zeigt man darauf und behauptet "seht her die Strukturen sind kaputt, lasst es uns privat machen". Dafür sitzt Bernd Raffelhüschen auch in einigen Beiräten von Versicherern.
Letztenendes ist die Frage ob oder ob wir uns die Pflege oder sonst etwas leisten können eine Verteilungsfrage. Als Gesellschaft haben wir ein Produktionspotential. Das müssen wir aufteilen. Aktuell sagen wir, dass die Verteilung des Wohlstands an reiche Menschen zu fließen hat. Wir können und wollen uns sogar Professuren wie die von Herrn Raffelhüschen leisten. Das muss aber nicht sein. Wir könnten einfach jeden Pseudowissenschafler entlassen (zu erkennen an der Menge der Nebeneinkünfte und widerlegten Behauptungen). Das wäre aber schwierig objektiv zu bewerten. Wir könnten andererseits eine Vermögens- und Erbschaftssteuer einführen. Das würde das "Erbschaftsbewahrungsprogram" aktiv bekämpfen. Ein Spitzensteuersatz der den Namen verdient wäre auch gut. Gleichzeitig könnte man eben jene entlasten und mit höheren Löhnen (Beispiel Mindestlohn auch 12 Euro und mehr) belohnen, welche es wirklich benötigen.
Progressive Politik ist im Grunde einfach. Wenn allerdings neobliberale Ideologen auf Generationsgerechtigkeit zeigen und Alternativen nicht diskutieren muss man immer vorsichtig sein. Funktioniert Spahns Gesetz, dann schwächt dies den Markt für private Rentenversicherungen. Also genau jene Versicherungen die Bernd bezahlen.
Chris