Montag, 23. November 2015

Standpunkte

Eine interessante Diskussion, welche in meinen Augen das aktuelle Medienversagen darstellt. Auf der einen Seite Paul Schreyer ("Putin-Versteher") auf der anderen Seite Boris Reitschuster (Russland-Experte). Schreyer versucht darzustellen, warum man in der ganzen Diskussion um den Ukraine Konflikt kein schwarz-weiß Denken ansetzen sollte. Er relativiert, gibt zu bedenken und verteidigt die Haltung der russischen Politik nur insofern, dass er sie für nachvollziehbar hält. 
Sein Konterpart Boris Reitschuster zieht seine Expertise aus dem persönlichem Umfeld. Er hat erlebt, wie der russiche Rechststaat nicht richtig funktioniert, wie Freunde von ihm Probleme bekamen. Das alles hat ihn geprägt und daraus zieht er seine Meinung. Genau das ist das Problem. Es ist eine Meinung. Er schafft es nicht zu differenzieren. Seine sinngemäße Meinung "Putin, nicht der russische Staat, besetzt ein fremdes Land, das ist völkerrechtswidrig, das gab es noch nie". Die Antwort, dass auch der Westen viel Völkerrecht gebrochen habe und deshalb eben nicht moralisch zu den Guten zählen könne, wird damit abgetan, dass ja kein Land besetzt worden sei.
Gerade in dieser Passage der Diskussion wird für mich einiges deutlich. Es geht nicht um Inhalte. Es geht um Positionen. Wenn wir die Guten sind, dann ist das Verhalten Russlands natürlich irrational. Wenn wir für Frieden, Demokratie und Wohlstand für alle stehen, warum hat Russland dann Angst davor, dass die Nato sich bis an ihre Grenzen ausweitet. Es ist nicht nachvollziehbar. 
Wenn man zu differenzieren versucht und zeigt, dass wir eben nicht die Guten sind, dass wir viele Kriege initiiert oder befeuert haben, dann wird dies mit dem Verweis abgetan, dass es in Russland ja noch viel schlimmer sei. Ein Todschlagargument, denn man kann immer etwas finden was schlimmer ist. Nimmt man nur die Toten, welche seit dem Zusammenbruch der UdSSR von Russland und den USA zu verantworten sind, dann wäre die Aussage ziemlich eindeutig. Aber da wir die Guten sind, sind die zu verantwortenden Toten für etwas gutes gestorben. Die Menschen vor Ort tröstet dies zwar nicht, aber egal. 
Boris Reitschuster scheitert in meinen Augen vielen Stellen seiner Argumentation. Er personalisiert, zieht Russland als Land und Russen als Volk, die Geschichte und vieles mehr nicht mit ein. Er glaubt, weil er eine russische Frau und viele russische Freunde hat, Russland zu kennen. Er lebte in einer Blase in Moskau. So wie ich Pegida nicht begreifen kann, oder nicht begreife wie Menschen bei verstand Horst Seehofer wählen können, kann er nicht begreifen, dass viele Menschen Putin wählen. Er ignoriert die wirtschaftlichen Zustände zu seinem Amtsantritt, er ignoriert, dass die Probleme mit den Oligarchen vorher schon existent waren. Putin ist alleine Schuld, weil sein System, dem Zirkel in dem sich Boris Reitschuster bewegte schadete. Das kann und muss man kritisieren, legitimiert aber nicht, dass man einer Einzelperson die Alleinschuld an einem Konflikt in der Ukraine gibt. Vor allem dann nicht, wenn nachweislich viel Geld aus den USA geflossen ist und auch Europa nicht gerade unbeteiligt war. So verhalt auch der Ruf von Paul Schreyer nach Aufklärung des Abschusses von MH17 und den Schüssen auf dem Maidan. Für Reitschuster ist die Schuldfrage ohne Beweise bereits klar. Wenn wir die Guten sind, dann wird uns der US Geheimdienst nicht anlügen...

Chris

2 Kommentare:

  1. "Wenn man zu differenzieren versucht und zeigt, dass wir eben nicht die Guten sind, dass wir viele Kriege initiiert oder befeuert haben, dann wird dies mit dem Verweis abgetan, dass es in Russland ja noch viel schlimmer sei."

    Ein sehr wichtiger Punkt! Bin gerade am Entwerfen eines Textes genau darüber, dass wir eben nicht die Guten sind.

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  2. Aber Russland ist doch noch viel schlimmer ;).

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