Montag, 16. September 2013

Annahmen der Wirtschaftstheorie

In einem informtiven Artikel über Ideologie in der Schule: Die "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" über Mindestlöhne werden die Grundannahmen dargestellt, welche zu der logischen Konsequenz führen, dass Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten.

  1. Das Modell unterstellt, dass Unternehmen genau berechnen können, wieviel sie an einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin verdienen und welchen Lohn sie ihm/ihr entsprechend bezahlen können. Dies ist aber, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, bei der Komplexität von Unternehmensstrukturen und Arbeitsmärkten schlicht nicht der Fall.
  2. Das Modell unterstellt, dass Beschäftigte und Unternehmen gleichberechtigte Marktteilnehmer sind, die frei einen Lohn aushandeln, wodurch es zu Markt-/Gleichgewichtslöhnen kommt. In der Realität aber sind die Beschäftigten deutlich schwächere Akteurinnen und Akteure, den Unternehmen mehr oder weniger ausgeliefert. Der Lohn als Gleichgewichtspreis ist daher eine Illusion.
  3. Das Modell unterstellt, dass Beschäftigte ihre Arbeit ausweiten, wenn die Löhne steigen, und ihre Arbeit einschränken, wenn die Löhne fallen. Zumindest letzteres ist falsch: Menschen, die durch ihre Arbeit nicht genug zum Leben verdienen, deren Löhne also zu niedrig sind, nehmen tendenziell noch weitere Jobs an, um überleben zu können. Niedrige Löhne führen also nicht zu einem geringeren, sondern zu einem höheren Angebot von Arbeit durch die Beschäftigten.

Punkt 1 könnte man als Marktgläubiger noch schönreden. Alle Unternehmen würden rechnen, aber nur die, die Preis-Leistung exakt bestimmen verbleiben am Markt. Das wäre zwar Unsinn, aber immerhin könnte man in seiner Ideologie verbleiben. Punkt 2 und 3 lassen sich nicht mehr diskutieren. Punkt 2 ist dabei in meinen Augen sehr wichtig. Das Unternehmen und Arbeitnehmer gleichberechtigt wären ist Quatsch. Das die Arbeitnehmer dabei immer unterlegen sind, stimmt so auch nicht. Es kommt auf die Firmengröße und die Qualifikation des Mitarbeiters an. Ein gut qualifizierter Mitarbeiter kann einigen Druck auf eine kleine Firma ausüben. Im Allgemeinen passt die Aussage aber. Wieso sonst ist Nokia nach Rumänien, Apple nach China und Mercedes in die Leiharbeit ausgewandert (es trifft auf sehr viele andere Unternehmen auch zu)? Das Gleichgewicht konnte gar nicht entstehen. Selbst wenn einige Arbeitnehmer die niedrigsten Löhne akzeptiert hätten, ist der Faktor Angst einkalkuliert. Durch das Auslagern von Arbeit (andere Länder oder Leiharbeit) erhöht man den Druck auf die Belegschaft und verbessert seine Verhandlungssituation. Marktliberale finden solche Tricks bei Unternehmen legitim. Wenn Arbeitnehmer über Gewerkschaften zu Tricks greifen beeinflusst das, die Marktpreise und ist schädlich.  Es ist sowieso bezeichnend, dass nur zu hohe Löhne schädlich sind. Niedrige sind es selten bis nie. Hohe Renditen und Dividenden, welche auch kosten darstellen, stören auch nicht.
Punkt 3 zeigt wie wenig die INSM und andere ihre eigenen Modelle nicht verstehen. Im Gleichgewichtsmodell wird häufig vergessen, dass dieses Kreuz nur sehr lokal existiert.  Die Kurven sind eher nicht-linear, wenn sie denn existieren. Das heißt es kann bei sinkenden Löhnen zu einer vermehrten Nachfrage an Arbeit kommen. Da man von einem Job nicht leben kann, nimmt man einen zweiten auf. Das wird unter den Marktgläubigen nicht bestritten und positiv gesehen. Das sie damit ihrem eigenen Modell widersprechen, denn dort kommt solch ein Verhalten nicht vor, interessiert nicht.

Fazit
Anstatt Kindern eine ökonomische Ideologie zu vermitteln, sollte man ihnen beibringen Statistiken zu lesen und die Annahmen der ökonomischen Theorien zu verstehen. Dann können sie die Aussagen der Ökonomen und der Politik hinterfragen. Dabei sollten man die Gleichgewichtstheorie gleichberechtigt neben Marx, Keynes, von Mises, Friedmann, etc. stellen. Nur so kriegt man einen Überblick und kann sich eine Meinung bilden. Dann erst kann man erkennen, dass die Wirtschaftswissenschaft eine Geisteswissenschaft ist und weniger verstanden wird als man glaubt. Hat man das realisiert, kommt automatisch die Frage auf, wieso ein Fachgebiet, dass so wenig eindeutige Antworten bereit hält, einen solchen Einfluss und eine solche Macht auf unser Leben ausüben kann und darf.

Chris

2 Kommentare:

  1. Ich möchte gar nicht groß auf inhaltliche Fehler in dem Posting eingehen, Du verwechselst bspw. wer Arbeit anbietet und nachfragt.
    Marx hat einfach völlig unrecht, seine Theorie fußt auf völlig falschen Annahmen, kommt daher auch zu falschen Schlüssen.

    Die richtige VWL hat sich von solchen Theorien, wie der Arbeitswerttheorie und dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate verabschiedet, ganz einfach, weil sie nicht stimmen. Der Marxismus ist dogmatisch und tut das nicht. Deshalb ist VWL auch eine Wissenschaft. Dort läßt sich Fortschritt und die Abkehr von falschen Theorien erkennen. Beim Marxismus nicht. Das ist purer Dogmatismus.

    Auch ist es ungerechtfertigt, groß zwischen Keynes und Friedman zu unterscheiden. Friedman war Keynesianer. Er hat lediglich minimal andere Akzente gesetzt als Keynes. Er wird nur deshalb so häufig falsch verstanden und sehr rechts eingeordnet, weil er sich so klar und deutlich gegen den Sozialismus ausgesprochen hat.


    Was mich aber wirklich interessiert: Glaubst Du eigentlich auch, man sollte Intelligent Design gleichberechtigt neben der Evolutionstheorie lehren?

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  2. "wer Arbeit anbietet und nachfragt."

    Das ist A) eine Frage des Standpunkts (Unternehmen oder Arbeitnehmern) und B) bei zwei linearen Funktionen die sich schneiden egal.

    "Die richtige VWL hat sich von solchen Theorien, wie der Arbeitswerttheorie und dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate verabschiedet, ganz einfach, weil sie nicht stimmen. Der Marxismus ist dogmatisch und tut das nicht. Deshalb ist VWL auch eine Wissenschaft."

    Die VWL ist eine Sozialwissenschaft. D.h. ob etwas stimmt oder nicht ist meist schwer zu bestimmen. Es wird immer noch das Modell des perfekten Marktes gelehrt und zu Argumentation verwendet. Marx hatte mit seinen Schlussfolgerungen unrecht. Etliche Analysen waren richtig. Somit kann man und sollte man ihn lehren. Alleine um die Fehler die er gemacht hat zu vermeiden.

    "Dogmatismus"
    Die VWL hat einen Hang dazu. Man schaue sich nur die Unterschriftensammlung von Ökonomen gegen eine Intervention der EZB oder Vorträge von einiger klassicher Liberaler an. Dort wird mit Logik argumentiert. Es wird aber nichts empirisch nachgewiesen und die Annahmen werden nicht hinterfragt oder überprüft. Der Markt ist eben das Beste. Eine sehr starke und nicht immer richtige Annahme.

    "Was mich aber wirklich interessiert: Glaubst Du eigentlich auch, man sollte Intelligent Design gleichberechtigt neben der Evolutionstheorie lehren?"

    Im Religionsuntericht ja, im Biologieuntericht nein. Man kann das Intelligent Desing falsifizieren. Man kann zeigen, dass die WElt keine 6000 Jahre alt ist. Man kann Experimente zur Evolution machen.
    Bei der VWL ist das deutlich schwerer, da sie keine Naturwissenschaft ist. VWL Modelle können das Modellierte beeinflussen, da die Erkenntnisse mit dem beschriebenen wechselwirken können. Das ist in einer Naturwissenschaft nicht so. Ein Apfel fällt vom Baum, egal wie ich das Gravitationgesetz formuliere. Spekulanten verwenden aber eventuell Prognosemodelle und beeinflussen die Prognose. Weiterhin sind Experimente sehr schwierig durchzuführen. Auch die Empirie stößt an ihre Grenzen, da die Zahl der Eingangsparameter sehr hoch ist. Der Einfluss dieser Parameter wird vom Modellierer festgelegt. So kann man alles oder nichts zeigen. Korrelationen werden oft mit Kausalitäten verwechselt, usw. Grobe Zusammenhänge hat man vielleicht erkannt. Sauber angewandt werden sie trotzdem nicht. Das sieht man in der aktuellen Krise. Einfach Zusammenhänge, dass Schulden und Guthaben sich ausgleichen, wird ignoriert. Alle sollen gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden, wird auch von VWL Professoren gefordert. Dahinter stecken Dogmen und Machtinteressen. Ich hoffe das beantwortet die Frage. Sozialwissenschaft ja (dort auch ihre Berechtigung) - Naturwissenschaft nein (darum weniger Einfluss)

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