Dienstag, 28. Februar 2017

Es kommt wie es kommen musste

Da relativiert ein Herr Schulz die Agenda 2010 auch nur einen Mikrometer und schon kommen sie aus den Löchern gekrochen. Neoliberale und konservative Politiker die einen Linksruck im Land fürchten und den Weltuntergang, mal wieder, hervorsagen. Hinterher wundern sich diese Leute warum die Leute, weggescheucht von einer potentiellen linken Alternative, verschreckt nach rechts rennen. Wer hätte das ahnen können. So auch Herr Vöpel seines Zeichens Wirtschaftsprofessor. Er fängt mit einem lächerlichen Anfangssatz an, den man erst einmal verdauen muss

Soziale Gerechtigkeit wird plötzlich zum bestimmenden Thema des anstehenden Bundeswahlkampfes. 

 Plötzlich also? Irgendwas habe ich verpasst. Soziale Gerechtigkeit ist immer schon ein bestimmendes Thema. Nur wird es in der Regel ignoriert und kommt in den Medien kaum vor. Nun taucht es auf, weil man sich so, teilweise zu Recht, die AfD Misere erklärt. Das scheint beim Herrn Professor nicht angekommen zu sein.
Stattdessen blubbert er Worthülsen. Anders kann man einen solchen Absatz nicht beschreiben

Allzu plakativ wirken die Parolen der Parteien. Das Problem ist weit vielschichtiger, schwieriger und bedeutender. Die Fundamente sind fragil, die Zeiten kritisch. Es stehen nicht weniger als die Zukunft der Globalisierung und die Bewahrung der Demokratie auf dem Spiel. Jetzt die falschen Antworten auf die drängenden Fragen zu geben, wäre fatal

Irgendwie kommt einem das bekannt vor. Geht es abwärts müssen wir reformieren, damit es wieder aufwärts geht. Geht es aufwärts dürfen wir ebenfalls nichts verteilen, weil es wieder abwärts gehen könnte. Nichts ist belegt alles nur Hülse. Das ist das Niveau der politischen Einflussnahme. Es ist so lächerlich, dass man sich fragt wie sie funktionieren kann. Vor allem der letzte Satz ist doll. Er sagt aus, das ER die Wahrheit weiß. Diese Wahrheit ist nicht leicht zu erkennen, weil sie wieder nur aus Hülsen besteht. Man muss die Agenda weiterentwickeln, damit sie gerechter wird, aber nicht zurücknehmen. Von mir aus gerne. Man kann das zurücknehmen einfach weiterentwickeln nennen und gut. Dann ist der Phrasenprofessor befriedigt und niemand der diese unsoziale Reform umgesetzt hat muss sein Gesicht verlieren.

Die Agenda 2010 zurückzunehmen, ginge an den eigentlichen Problemen vorbei. Im Gegenteil: Wir müssen sie heute, da wir vor dem demographischen Wandel und der digitalen Transformation stehen, weiterentwickeln angesichts der Herausforderungen der Zukunft und den veränderten Anforderungen an die Gesellschaft – für mehr, nicht für weniger Gerechtigkeit. Aber wie viel Verteilungsspielraum existiert eigentlich, wie kann mehr Gerechtigkeit hergestellt werden und was hat das mit Populismus zu tun?
 
Mit der Globalisierung ist Kapital weltweit mobil und mit der Integration von China und Indien in die Weltwirtschaft ist Arbeit relativ reichlich geworden. So wie sich in den Schwellenländern über die Zeit eine Mittelschicht gebildet hat, ist quasi spiegelbildlich der Druck auf die untere Mittelschicht in den Industrieländern gestiegen. Gleichzeitig entzog sich Kapital aufgrund seiner grenzüberschreitenden Mobilität der nationalen Besteuerung. Die Folge war, dass auf nationaler Ebene die Globalisierungsgewinne nicht umverteilt werden konnten.

Alles ist ein Naturgesetz. Man konnte ja nichts machen. Das ist natürlich Blödsinn. Laut Michael Hartmann ist die globale Reichtumselite nicht im Ansatz so mobil wie sie vorgibt. Was hindert eine Gesellschaft daran, Großkonzerne für Leistungen die in Anspruch genommen werden zu besteuern? Niemand, außer die Behauptung es ginge nicht. 

Als Resultat ist durch die Globalisierung die weltweite Einkommensverteilung gleichmäßiger geworden, während sie vielerorts auf nationaler Ebene ungleichmäßiger geworden ist. 
Dann ist ja alles gut.
Diese Passage ist wieder einmal komprimiert was ich an neoliberaler Ideologie so liebe.
Diese Mechanismen der Globalisierung haben vor mehr als zehn Jahren enormen Anpassungsdruck in vielen Ländern erzeugt, der in Deutschland politisch mit der Reform Agenda 2010 beantwortet worden ist. Die Wirkungen dieser Politik haben zweifelsohne dazu beigetragen, dass Deutschland gut und besser als andere Länder durch die globale Finanzkrise und die Euro-Krise gekommen ist, aber haben eben auch dazu geführt, dass die deutschen Exportüberschüsse mittlerweile ein strukturelles Ungleichgewicht in Europa erzeugt haben.
 
Ich übersetze mal. Die Agenda beruht auf der Ausbeutung anderer europäischer Länder. Deutschland konnte seinen Arbeitsmarkt durch Exportüberschüsse halbwegs stabilisieren, führte die Eurozone in eine gefährliche Instabilität die man vielleicht beheben muss. Wie kann man trotz dieses offensichtlichen Agendafehlers das Ganze für einen Erfolg halten. Frei nach dem Motto, ja ich habe 6 Kilogramm abgenommen. Leider musste ich mein Bein abschneiden.
Darum der Rückzug in die Komplexität.

Nun hat sich der Wind gegen die Globalisierung gedreht. Auch in Deutschland, dem vielleicht größten Profiteur von Globalisierung, sind Verteilungsfragen wieder auf die Agenda geraten. Gesellschaften reklamieren wieder stärker das demokratische Recht für sich, soziale Gerechtigkeit innerhalb ihrer nationalen Souveränität zu adjustieren. Das hat sehr weitreichende Folgen, denn es bedeutet, das Zusammenspiel zwischen Globalisierung, Nationalstaat und Demokratie in eine neue, vielleicht verträglichere Balance zu bringen. Aber zu glauben, man könne Globalisierung für mehr soziale Gerechtigkeit einfach eintauschen, wäre eine gefährliche Illusion. Gleichwohl fängt die Politik wieder an, zu suggerieren, man könne Einkommensverteilung, Wachstum und Beschäftigung frei und unabhängig voneinander wählen.

Alles ist komplex, darum darf man keine Reform anstoßen. Bei der Agenda 2010 war scheinbar noch nichts komplex und man wusste genau wie es funktioniert. Eben jene Wissende sind jetzt nicht in der Lage Prognosen zu machen, sondern können nur mit Geschwurbel warnen.


Dessen ungeachtet existiert erkennbar ein tiefes Bedürfnis nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Eine Rücknahme der Agenda 2010 löst keines dieser Probleme. 

Warum nicht. Menschen werden wieder mit Würde bedacht und müssen sich nicht jeden Beruf annehmen auch wenn sie nicht wollen.

Auch das zuletzt häufiger diskutierte bedingungslose Grundeinkommen greift viel zu kurz. Die Zementierung der sozialen Verhältnisse ist das eigentliche Problem. Gerechtigkeit ist kein Zustand, sondern die Möglichkeit, sie immer wieder neu herzustellen. Nur eine durchlässige und in diesem Sinne chancengerechte Gesellschaft ist eine neidlose Gesellschaft. Kein Vermögen bilden zu können, keine Perspektive für Aufstieg zu haben, ist das, was Frust schafft. 

Alles gut erkannt, aber keinerlei Lösung in Sicht.

Die Folge: Immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft machen ihre Zufriedenheit vom sozialen Vergleich statt von der individuellen Perspektive abhängig. Das ist politisch und sozial gefährlich, denn es stärkt das Motiv der Wähler, entrückte Eliten zu bestrafen.
Das er zu diesen Eliten gehört erkennt der Herr Professor nicht. Denn er rechnet das Problem klein und negiert mögliche Änderungskonzepte. Daher wettert er noch kurz gegen den Polulismus, feiert die Demokratrie und die Soziale Marktwirtschaft und kommt mit einer neuartigen Schlussfolgerung.

Die Folge ist das, was wir heute Populismus nennen und überall beobachten können. Bessere Antworten bieten die Populisten nicht an, aber sie befriedigen ein Bedürfnis nach Revolution.
In diesem Sinne ist das Versprechen von Sozialer Marktwirtschaft und Demokratie, gerechten Wohlstand für alle zu erzeugen, nicht erfüllt worden. Vertrauen in Politik und Institutionen ist verloren gegangen. Dieses Versprechen gilt es nun zu erneuern, und zwar vor dem Hintergrund zukünftiger Herausforderungen. Demographischer Wandel und digitale Transformation werden den gesellschaftlichen Zusammenhalt nochmals erheblich auf die Probe stellen. 
Umverteilung lähmt Innovation. Ohne Worte. Die Statistik würde ich mal gerne sehen, wo man diesen Zusammenhang kausal zeigen kann.
 
Statische Umverteilungspolitik aber würde die Wachstums- und Innovationskräfte lähmen.
Wer auf solcher Blubebene spazieren geht ist sich nicht zu schade den üblichen Floskeln zu verbreiten.

 Die Aktivierung des Dreiklangs aus Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik ist zentral. Das Fördern von „Fordern und Fördern“ der Agenda 2010 muss auf diesen drei Ebenen gestärkt werden für mehr Durchlässigkeit durch Bildung und Vermögen. So wird wieder stärker die eigene Zukunftsperspektive und nicht der sozialen Vergleich zur Antriebsfeder der Sozialen Marktwirtschaft. Der Globalisierung fehlte es lange an einer übergeordneten Philosophie. Mit der Digitalisierung haben wir eine neue Chance, eine humane und soziale Perspektive für die Gesellschaft insgesamt mitzuentwickeln.

Diese sind nicht falsch, blenden aber zentrale Probleme aus. Die Schuld arm zu sein wird generell dem Armen zugeschrieben. Das mag in einigen Fällen stimmen, aber sicher nicht in Allen. Das zentrale Problem der Ungleichheit ändert man eben nicht, indem man alle 95% der Bevölkerung möglichst gut ausbildet. Sie prügeln sich weiterhin um einen kleinen Teil des Kuchens. Man muss die Spitze stutzen. Das führt automatisch zu mehr Demokratie. Denn der Wert der Stimmen wird angeglichen. Es führt zu mehr sozialen Miteinander, weil die Kinder reichsten Menschen sich auch anstrengen müssen, sie müssen auch öffentliche Einrichtungen nutzen und sind daher tendenziell bereit Steuern zu bezahlen. Weniger Konzentration an der Spitze bedeutet, dass die Gewinne der Unternehmen auf mehr Schultern verteilt werden. Das alles wäre möglich, wenn man eine Vision formuliert und lange daran arbeitet.
Wirtschaftsprofessoren sind aber scheinbar visionslos. Sie fixieren den Status Quo den sie leidlich beschreiben können. Die Agenda muss weg, weil sie die Ziele einer gerechteren lebenswerten Gesellschaft nicht erreichen kann. Wachstum und BIP sind sekundär. 

Chris

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