Dienstag, 22. November 2011

Was wird in den Demographiedebatten ständig vergessen?

In einer Diskussion mit einem älteren Unternehmensberater über die "Vergreisung" der Bundesrepublik und die für ihn daraus resultierenden Probleme ist mir aufgefallen, dass in der Demographiedebatte grundsätzlich gewisse Punkte ausgeblendet werden.

Punkt 1
Grundsätzlich ist es richtig, dass es immer mehr Rentner geben wird. Allerdings kann man daraus nicht schlussfolgern, dass die Gesamtkosten explodieren werden. So ist nicht das viel propagierte Verhältnis zwischen arbeitender Bevölkerung und Rentner entscheidend, sondern das Verhältnis zwischen arbeitender und nichtarbeitender Bevölkerung. Da es weniger Kinder gibt und weniger Menschen im erwerbstätigen Alter, sinken die Kosten für Kinder und für Arbeitslose. Folglich können diese Ressourcen der älteren Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden.


Punkt 2
Generell wird auch die Produktivität ausgeblendet. Die Veränderung der Altersstruktur im letzten Jahrhundert war sehr stark und die Kosten konnten durch verbesserte und effizientere Produktionsmethoden ohne weiteres kompensiert werden. Wenn nur die Zahl der Jugendlichen und die Altersverteilung eine Rolle spielen würde, dann müssten Rentner in afrikanischen Länder einen glücklichen Lebensabend ohne jegliche Sorgen haben. Das dem nicht so ist liegt einfach daran, dass Produktivität nicht ausreicht um ein gutes Sozialsystem zu finanzieren.

Punkt 3
Typischerweise wird argumentiert, dass mehr Kinder das Problem lösen würden. Wenige stellen sich bei dieser bestechenden Logik die Frage woher diese automatische Lösung der Rentenbezahlung kommen soll. Wie in Punkt 1 erwähnt müssen Kinder ausgebildet werden. Das kostet Geld und zwar nicht wenig. Des Weiteren müssen diese Kinder später einen Beruf erlangen. Unter den Gesichtspunkt, dass schon heute 3 Millionen Menschen offiziell arbeitslos sind und über 10 Millionen Menschen die in Teilzeit arbeiten und gerne mehr arbeiten würden, ist die Logik die Zahl der potentiellen Arbeitskräfte zu erhöhen um das Rentenproblem zu lösen nicht schlüssig. Häufig bringen diejenigen das Argument für mehr Kinder vor, welche im Gegenzug vor einer Überbevölkerung des Menschen auf dem Planet Erde warnen. Scheinbar gibt es richtige und falsche Kinder.

Punkt 4
Ein weiteres Argument ist, dass die Rente zu teuer würde. Dieses Argument kann man leicht entkräftigen. Schließlich steigt der Durchschnittswohlstand des Landes an. Das Problem ist, dass die Löhne stagnieren. Aus diesen werden die Renten finanziert. Steigen nun die Renten an, da es mehr Rentner gibt und stagnieren die Löhne politisch gewollt, dann müssen Rentenkosten des Einzelnen steigen. Davon abgesehen wird das deutsche Rentensystem durch viele versicherungsfremde Leistungen geschröpft. Somit ist der Kostenfaktor nur ein sehr schwaches Argument.

Punkt 5
Häufig geht auch die Angst um, dass niemand mehr da sein wird um zu arbeiten, wenn alle Rentner sind. Zum Einen ist die Alterung der Gesellschaft kein sprunghafter Prozess, zum Anderen steigen die Löhne bei einem Arbeitermangel. Dies führt dazu, dass die jüngeren Menschen sich sicherer fühlen und eventuell mehr Kinder in die Welt setzten. Die Alterung ist keine Konstante. Die These, dass es heute schon einen leichten Mangel an Arbeitskräften gibt und das sich der Prozess in den nächsten 10 Jahren deutlich verstärken wird kann durch die Arbeitsmarktstatistiken leicht widerlegt werden. Auch die Löhne stagnieren, bzw. steigen nur sehr leicht. Man muss nicht viel von Ökonomie verstehen, um darin einen Widerspruch zu sehen. Mangel sorgt eigentlich immer für eine Preissteigerung. Das kann man allerdings nicht erkennen.

Fazit
Der demographische Wandel existiert. Allerdings ist er nicht das Problem vor der unsere Gesellschaft steht. Wer 1 Billionen Euro zur Verfügung hat, um Rettungsschirme für Banken aufzubauen (nichts anderes ist die Griechenlandrettung) kann nicht glaubwürdig machen, dass die Ressourcen für die Rente fehlen sollen. Das wesentliche Problem liegt in der unglaublich ungleichen Verteilung der Einkommen und Vermögen. Die Ressourcen sind vorhanden. Wenn man sich allerdings lieber eine Elite haushaltet, welche zu viel Geld zum atmen hat anstatt Renten zu finanzieren, der soll dies auch sagen und keine "Wissenschaftler" finanzieren welche einfach zu widerlegende Behauptungen aufstellen, dass die Bevölkerung zu alt sei. 

Chris

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen