Eine sehr detailierte Analyse zum Gutachten des BMWi. Eine der Kernaussagen ist die folgende
Um die Frage der Sinnhaftigkeit eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns soll es an dieser Stelle, wie gesagt, nicht gehen. Im Hinblick auf das „Gutachten“ und sein argumentatives Vorgehen interessanter ist etwas anderes: Der Lohn, ab dem eine Altersrente von 850 Euro gewährleistet wäre, liegt angeblich pro Stunde mit 14,40 Euro (West) und 16,20 Euro (Ost) in der Tat vergleichsweise hoch. Und selbst ein Stundenlohn, der eine Rente auf Grundsicherungsniveau gewährleistet, beträgt immerhin noch 11,10 Euro (West) und 12,50 Euro (Ost). Nehmen wir an, diese im „Gutachten“ nicht weiter kommentierten Daten sind zutreffend, was mir auch einigermaßen realistisch zu sein scheint. Tatsächlich sind diese Daten mehr als interessant, denn sie zeigen, dass die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Verdienst unterhalb dieser Schwellen liegt, enorm groß sein muss:
- Bei Vollzeitbeschäftigten lag laut DIW im Jahr 2010 der Medianlohn in Gesamtdeutschland bei 16,29 Euro, bei Teilzeitbeschäftigten bei 14,58 Euro pro Stunde. Diese Medianlöhne bewegen sich damit in etwa bei der Höhe, die das „Gutachten“ als notwendige Löhne für eine Altersrente von 850 Euro nennt. Der Medianlohn teilt alle Löhne in zwei gleich große Gruppen. Daraus folgt, dass etwa die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Altersrente von 850 Euro erreichen werden.
- Zieht man Untersuchungen des IAQ zum Niedriglohnsektor heran, kommt man zu ähnlichen bedenklichen Ergebnissen. 2010 lag die Niedriglohnschwelle in Deutschland bei 9,54 Euro (West) bzw. 7,04 Euro (Ost). 23,0 Prozent (West) bzw. 22,6 Prozent (Ost) der Beschäftigten – zusammen 7,8 Mio. Menschen – hatten einen Verdienst unter diesen Niedriglohnschwellen. Führt man sich vor Augen, dass für eine Altersrente auch nur auf Höhe der Grundsicherung ein weitaus höherer Stundenlohn notwendig ist, so ist klar: Die Zahl derer, die eine Altersrente auf Grundsicherungsniveau oder darunter zu erwarten haben, ist weitaus höher als ein knappes Viertel der Beschäftigten.
Dabei muss man immer im Hinterkopf haben, dass dieser Zustand politisch und gesellschaftlich gewollt ist. Er beruht auf keinerlei wirtschaftlichen Zwang, auch wenn uns das immer wieder eingeredet wird. Wenn der Wohlstand einer Gesellschaft jedes Jahr steigt, dann sollten alle Menschen daran partizipieren. Ist dies nicht der Fall, dann ist das keine höhere Gesetzmäßigkeit, sondern einer politischen und gesellschaftlichen Motivation geschuldet. Niemand zwingt uns, dass eine Minderheit auf Kosten der Mehrheit lebt und dieser Mehrheit verkauft, dass sie faul ist, da sie nicht zur Minderheit gehört.
Chris
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen