Mittwoch, 4. Dezember 2013

Propagandasuppe

Oswald Metzger schreibt mal wieder. Detailtiefe, differenzierte Betrachtung und vor allem Argumente für seinen Standpunkt sind nicht zu finden. Es geht um den Koalitionsvertrag. Dieser ist ihm zu links.
Generationengerechtigkeit hergestellt, die Lohnzusatzkosten bei 40 Prozentpunkten gedeckelt,Steuererhöhungen abgewendet, obwohl sich bei Licht betrachtet die Fülle wohlklingender Versprechungen auf hohe zweistellige Milliarden Euro-Beträge jährlich summieren: So feiert die Große Koalition der Volksbeglückung ihren Vertrag.

Die vielen hohlen Phrasen des Vertrags werden von Herrn Metzger nicht berücksichtigt. Der Koalitionsvertrag ist wohlklingend, keine Frage. Wenn er so links wäre wie Metzger behauptet, warum stemmt sich die SPD Basis gegen ihn. Hier mal eine Übersicht über das Erreichte der SPD.

Millionen Menschen werden neue soziale Leistungen versprochen – vor allem in der Rente, vergessen wird aber jede Konkretisierung, wenn es um deren Finanzierung geht. 

Zumindest hier hat er Recht. Die Versprechen werden gemacht, aber keine Finanzierzung vorgelegt. Allerdings waren Finanzierungspläne und Finanzierungsumsetzung immer schon zwei Paar Schuhe. 
Gering qualifizierten Menschen, die kaum mehr Chancen auf eine Erwerbsarbeit haben, soll aus der Langzeitarbeitslosigkeit herausgeholfen werden. Mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn wird aber gleichzeitig für eine neue Eintrittsbarriere in den ersten Arbeitsmarkt gesorgt. 
 
Hier noch ein kurzer Ausreißer gegen den Mindestlohn. Keinerlei Belege, dass dieser zu Problemen führen wird. Die kann er auch nicht bringen, da es diese Belege nicht gibt. In der Pseudoreligion heilige Markwirtschaft, wo es Gleichgewichtslöhne, die freie Wahl am Arbeitsmarkt, perfekte Information und rationales Verhalten aller Teilnehmer gibt, mag die These von Metzger definitiv stimmen. Die Realität sieht aber leider anders aus.
Fast alle Flexibilisierungsinstrumente, die den deutschen Arbeitsmarkt als Folge der Agenda 2010-Politik dynamischer gemacht haben, sollen zusätzlich erschwert oder ganz abgeschafft werden.

Interessanterweise hat gerade der unflexibele Arbeitsmarkt gut in der Krise funktioniert. Das ist auch nachvollziehbar. Sind Arbeitnehmer nicht schnell zu entlassen, muss ein Unternehmen sie qualifizieren, sie motivieren und somit Kostensenkungen über die Produktivität und nicht über Lohnsenkungen generieren. In der Welt eines Herrn Metzgers gibt es die Produktivität aber nicht, wie man regelmäßig an seinen Argumenten gegen das umlagefinanzierte Rentensystem sieht. Der Finanzexperte kennt nur Löhne und die müssen niedrig sein. Wer die Produkte dann kauft ist uninteressant.
Der linke Zeitgeist hat auf ganzer Linie gesiegt.
 Ein interessanter Punkt, welcher die unterschiedliche Wahrnehmung der selben Fakten zeigt. Die politisch links orientierten Menschen sehen im Koalitionsvertrag das genaue Gegenteil. Warum? Der Mindestlohn kommt in ein paar Jahren, er ist sehr niedrig, eine Verlagerung der Steuerbelastung vom Mittelstand zu den Spitzenverdienern findet nicht statt und die Rentenkürzungen (namentlich Rente mit 67) bleibt.

Dutzende Milliarden jährliche Mehrausgaben in der Rente werden so sicher wie das Amen in der Kirche den Rentenversicherungsbeitrag um bis zu 2 Prozentpunkte erhöhen – allerdings erst in der nächsten und übernächsten Legislaturperiode. Fürs erste fällt die Senkung des Beitragssatzes aus, die ansonsten ab Januar 2014 möglich wäre. Mütterrente, vorzeitiger Ruhestand für langjährig Versicherte und eine Erhöhung der Mindestrente haben eben ihren Preis.
Diese Festlegung ist unsinnig. Wenn man auf der einen Seite die Finanzierung der gesetzlichen Rente deckelt und auf der anderen Seitenicht alle einzahlen, bzw. eine private Rente finanzieren und fördern lässt, sinken keine Kosten. Die billigste Variante wäre, dass alle in das gleiche System einzahlen. Unmengen an Verwaltung, Gewinnen und Werbekosten würden wegfallen. 

Und den bezahlt die Wirtschaft durch sinkende Wettbewerbsfähigkeit – und natürlich die Arbeitnehmer mit sinkenden Nettolöhnen und steigenden Beschäftigungsrisiken.

Was der deutschen Wirtschaft gut tun würde. Wir sind im Moment zu wettbewerbsfähig. Die großen Überschüsse im Export zeigen es. Diese abzubauen und auch mal ein Defizit zu haben macht Sinn. Wie sonst sollen die Schuldnerstaaten ihre Schulden begleichen, wenn wir ihnen eine Rückzahlung verweigern?
Gegen die Kraft der Marktmechanismen und gegen Adam Riese kommen Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer nicht an – auch nicht mit 80%-iger Mehrheit im Deutschen Bundestag. 
Diese Aussage zeigt die Verblendung des Anhängers des freien Marktes. Martmechanismen kann man beeinflussen. In Griechenland sieht man das im Moment sehr deutlich. Die Wirtschaft bricht staatlich gesteuert zusammen. Der deutsche Staat hat einen massiven Einfluss auf der deutschen Wirtschaft. Das wird über die Staatsquote ständig von den marktreligiösen Ökonomen moniert. Der Einfluss des Staates hat zum Beispiel zur Energiewende geführt. Mittels bestimmter Fördermaßnahmen wurden Marktmechanismen (was auch immer das sein soll) beeinflusst.
Dass ausgerechnet die größte europäische Volkswirtschaft, die vor zehn Jahren mit mutigen Reformen ihren Wiederaufstieg eingeleitet hat, jetzt den Rückwärtsgang einlegt, ist tragisch. 
Tragisch ist nur, dass Metzger solche Texte schreiben kann ohne vor lachen vom Schreibtisch zu fallen. Warum ist es tragisch? Welche Vorteile haben wir denn bekommen durch diese Reform? Die Löhne stagnieren, die Armutsquote steigt bei einer steigenden Zahl der Erwerbstätigen, die Wirtschaftskrise hat uns genauso hart getroffen wie die anderen Staaten, die durch Lohndumping erzeugten Exportüberschüsse destabilisieren die Eurozone, etc. Tragisch wäre es, wenn die Vorteile die Nachteile überwiegen würden. Das müsste Herr Metzger zeigen, tut er aber nicht.  
Deutschland muss wohl erst wieder an die Wand gefahren werden, ehe bei uns eine neue Reformagenda 2030 angepackt wird. Deren Einschnitte werden aber brutaler werden, weil man in diesem Jahrzehnt nicht nur auf eine Agenda 2020 verzichtet, sondern stattdessen das Volk mit zusätzlichen Wohltaten geködert hat.
Zum Schluss noch ein Blub. Eine Warnung davor, dass Wohltaten für die Menschen etwas schlechtes sind. Wirtschafts- und Sozialpolitik sollte den Zweck haben den Wohlstand der Mehrheit der Menschen zu fördern. Eben Wohltaten an die Bevölkerung geben. Man kann über die Sinnhaftigkeit der Wohltaten diskutieren, man sollte es sogar. Bei Oswald Metzger und anderen ließt es sich oft so, als ob der Mensch im Arbeitsleben leiden sollte. Gute Löhne, Arbeitsplatzsicherheit, Zufriedenheit zerstört eine Gesellschaft nicht, sie stabilisiert sie. Der Vorteil ist, dass es den Menschen gut geht. Der Nachteil ist, dass einige wenige Menschen auf unglaubliche Gewinne und Vermögen verzichten müssen. Als Priester der Marktwirtschaft darf es diesen Zustand nicht geben. Absicherung führt zu Denken, Denken führt zu Kritik, Kritik führt zu Veränderung und politischer Beteiligung. Das könnte die elitären Strukturen erschüttern und wer will das schon?

Chris

2 Kommentare:

  1. Kompliment, dass Du Dir diesen Wendehals-Vogel freiwillig reinziehen kannst, ohne zu brechen. Ich könnte das nicht! ;-)

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