Unter der Überschrift Deutschlands Exportstärke schadet niemandem – und gibt dennoch Grund zur Sorge fasst der Jenaer Ökonom Andreas Freytag seine Argumente gegen die Kritik der Exportüberschüsse Deutschlands zusammen. Er startet erst einmal mit dem offensichtlichen.
Aus simpler Zahlungsbilanzarithmetik ergibt sich: Länder mit einem hohen Exportüberschuss bauen Ersparnisse im Ausland auf. Ein Land mit positiver Leistungsbilanz ist also ein Netto-Kapitalexporteur. Andersherum gilt: Kauft ein Land mehr Dienstleistungen und Güter als es verkauft, steigen dessen Verbindlichkeiten im Ausland. Das ist ein volkswirtschaftliches Naturgesetz.
So weit so bekannt. Es folgt daraus eine nähere Erläuterung die vollkommen der aktuellen Realität widerspricht.
Warum ist das so? Ein Land muss seine Importe irgendwie finanzieren. Es kann also entweder selbst mehr verkaufen, oder aber mehr Schulden aufnehmen. Dabei kann es durchaus so sein, dass die Kapitalströme die Güterströme bestimmen. Dann gilt: Bei gleichbleibenden Netto-Kapitalströmen bedeutet das: Exportiert ein Land weniger, kann es sich weniger Importe leisten – und so die Nachfrage und Konjunktur anderer Staaten nicht weiter ankurbeln. Die Forderungen an Deutschland, seine Exporte einzuschränken, könnten deswegen ein Schuss nach hinten sein.
Spätestens hier muss man nachdenken, um der Logik zu folgen. Wer mehr exportiert, kann potentiell mehr importieren. Das ist klar. Freytag meint nun, wenn man Überschüsse abbaut, dann sinkt das Potential zum Import. Das ist auch richtig. Seine Schlussfolgerung ist, dass es den anderen Staaten schaden KÖNNTE (er weiß es nicht einmal, komplette Spekulation), da Deutschland potentiell weniger kauft. Übersetzt heißt das, wenn Leute mit Geld an mir vorbeigehen und mich nicht bezahlen, dann ist das anders als wenn Leute ohne Geld an mir vorbeigehen und nicht bezahlen. Freytag vergisst, dass Deutschland von seinen Gläubigern eine Rückzahlung fordert, gleichzeitig keine Güter von ihnen annimmt.
Dennoch ist der Exportüberschuss Deutschlands nicht unproblematisch und gibt Grund zu Sorge. Die wachsenden Ausfuhren sind nicht Zeichen von großer Wettbewerbsfähigkeit, sondern das genaue Gegenteil.
Zumindest hier liegt er wieder richtig. Denn die Überschüsse in der Währungsunion resultieren aus einem nachweislich zu schwachen Anstieg der Löhne. Die Nachfrage der Güter sinkt und die Güterüberschüsse werden exportiert. Der Schluss, wie sollte es als neoliberaler Wirtschaftsprofessor auch anders sein, ist:
Offensichtlich wird Kapital nicht zu Hause in der Bundesrepublik investiert, sondern fließt ins Ausland ab. Der Heimatmarkt ist nicht lukrativ genug. Die Gründe sind schon lange bekannt: Ein undurchsichtiges Steuersystem und Überregulierung im Dienstleistungssektor – um nur zwei Punkte zu nennen. Hier sollte die neue Regierung ansetzen. Ein starkes Deutschland, das im Inland wieder mehr investiert, würde auch den europäischen Partnern helfen, die Krise zu überwinden.
Nicht die Löhne, sondern der Staat mit all seinen Regulierungen ist Schuld. Was ist spannend dabei? Deutschlands Importschwäche liegt am Steuersystem, an den starken Regulierungen und zu viel Bürokratie. Was wirft man Spanien, Griechenland, Portugal und auch Frankreich vor? Genau. Zu hohe Steuern, schlechte Verwaltung, Korruption, etc. (in unterschiedlichen Skalierungen). Die Gründe warum Deutschland wenig importiert, sorgen bei den Krisenländern, in der Logik der Neoliberalen, zu Außenhandelsdefiziten. Wer das versteht kann sich gerne melden.
Weiterhin wurde die These, Deutschlands Exportstärke schadet niemandem nicht belegt. Es wurde nicht einmal darauf eingegangen. Wenn ich Professor für Wirtschaftspolitik wäre und ein Student mir eine solche Argumentationskette darbieten würde, dürfte er die Arbeit wieder mitnehmen. Andere Länder kommen in dem Text nicht vor. Es wird nicht darauf eingegangen, dass die Wettbewerbsstärke eine relative Größe ist. Es wird ignoriert, dass die Forderung der deutschen Politik nach der Rückzahlung der Schulden bei gleichzeitigen Exportüberschüssen eine logische Unmöglichkeit darstellt. Er erklärt nicht, dass durch die Währungsunion die Stärke der deutschen Wirtschaft und deren Überschüsse zu einem zu starken Euro (und somit einem Schaden für die Krisenländer) für die Krisenländer und einem zu schwachen Länder für den Rest führt.
Warum finanzieren wir steuerlich einen solchen Unsinn. Da bin ich eher für Professuren über Homöopathie. Dort hat man wenigstens das Ziel den Menschen zu helfen. Wissenschaft ist beides nicht.
Chris
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